Vroni Kiefer
Alma Mahler-Werfel (1899)

Alma Mahler spricht

Dieser Text aus Sicht Alma Mahlers wurde für das Ars-Cantorum-Konzert „Kräht doch sowieso kein Hahn danach …“ – Ein Konzert mit weiblichen Komponisten geschrieben (2012).

Ach Gustav…  musstest Du das wirklich tun? Musstest Du es mir verbieten?  Wären wir nicht auf immer eine unzerreißbare Einheit geworden, wenn … sieh mal, es geht doch! Ein Konzert, zuerst ein Werk von dir, dann eins von mir.

Ja, ich weiß, es passt nicht zusammen! Aber muss es das? Man hätte einen ganzen Abend so gestalten können, vor der Pause Gustav, nach ihr Alma. Und hinterher stimmt das Publikum ab! Meinetwegen hättest Du jedesmal gewinnen dürfen. 

Was du nicht hättest. 

Als ich aufhörte, hatte ich doch erst 4 Jahre Kompositionsunterricht, und ich war 20. Was glaubst Du, was noch gekommen wäre?! Zemlinsky hatte das erkannt, er hätte mich… Aber er war so hässlich! Du hast mich ihm aus den Armen gerissen, und als ich schon Wachs in Deinen fantasierten Händen war, da kam er, DER Brief:

„Wie stellst Du Dir so ein komponierendes Ehepaar vor? Hast Du eine Ahnung, wie lächerlich und später herabziehend vor uns selbst so ein eigentümliches Rivalitätsverhältnis werden muss? Aber dass Du so werden musst, wie ich es brauche, wenn wir glücklich werden sollen – mein Eheweib, und nicht mein College – das ist sicher. (…) Du hast von nun an nur einen Beruf: mich glücklich zu machen. (…) Und da fällt die Rolle des ‚Componisten’, des ‚Arbeitens’ mir zu und Dir die des liebenden Gefährten, des verstehenden Kameraden! (…) Du musst Dich mir bedingungslos zueigen geben – die Gestaltung Deines zukünftigen Lebens in allen Einzelheiten innerlich von meinen Bedürfnissen abhängig machen und nichts dafür wünschen als meine Liebe.“

Es war das zweite und endgültige Mal, das eine Tür zugeschlagen wurde. Nicht lange davor wurde mir das Konzertieren verleidet. Und wie ich es immer tat, sagte ich: „Dann eben nicht.“ Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt. Dieses Feuer, das ich in mir trage, muss nun einmal brennen. Dann frisst es sich halt seinen Weg anders.

Ja, Gustav, mit diesem Brief hast Du meinem feurigen Blut ein Gift beigemischt, dass Du selbst bis zu Neige in seinen Dünstungen gekostet hast. Und alle anderen Männer nach dir auch.

Kokoschka, Gropius, Werfel, und alle daneben und dazwischen, keiner konnte es löschen und alle inhalierten die giftigen Dämpfe. Und weil das Opfer so groß war, durfte nichts über unsere gemeinsamen 10 Jahre gehen, niemand durfte an dich heranreichen, und das machte sie wahnsinnig. 

Natürlich musste Gropius feststellen, dass „sein“ Kind die Züge Werfels trug, und schließlich gab er auf. Aber in Wirklichkeit waren sie alle so eifersüchtig, dass sie den Augenblick fürchteten, ihrem Kind entgegenzutreten, weil es sicher die Züge des verstorbenen Mahler tragen würde!

Ach, was weiß ich, ob ich nicht einen Vorwand gesucht habe.  Dies Kind, das von Gropius hätte sein müssen und das Werfel mir um Wochen zu früh aus dem Leib heraus ekstasierte… wäre es älter geworden? Hätte ich nicht mit der selben physischen Gewalt eine Kompositionsnacht verbracht, bis ich in Wehen zusammengebrochen wäre?

Ich brauchte, was ich brauchte, sofort. Kaum einer konnte in der Schnelligkeit der Gedanken mithalten. Kaum einer konnte sich meinen Bewegungen entziehen. Was soll ich mich auch der Nachwelt hingeben? Was hat die Nachwelt denn mir gegeben, dass sie etwas von mir verlangt?

Für sie bist Du da, Gustav, brav gemacht.  Mit mir sollen sie sich weiter nicht auskennen, und alles, was ich eben sagte – habe ich nie gesagt. Und viel weniger noch gemeint.

Ach, Gustav…

Zur Übersicht

Anfragen, Anmerkungen, Allgemeines